Parlament Live – Exkursion zum Bayerischen Landtag

Am 16. Oktober machte sich ein Bus mit 25 Mitgliedern der Grünen und Interessierten aus Straubing und dem Landkreis auf den Weg nach München. Sie waren der Einladung der grünen Landtagsabgeordneten Mia Goller gefolgt, um den gelebten Parlamentarismus hautnah zu erleben. Auf dem eng getakteten Programm standen drei wichtige Punkte:

  • Informationsfilm zum Bayerischen Landtag und den Instrumenten der Demokratie und anschließender Besuch einer Plenarsitzung.
  • Mittagessen mit Mia Goller und anschließende Diskussionsrunde, zu der auch der zweite niederbayerische Landtagsabgeordnete Toni Schoberl dazukam.
  • Besuch des Justizpalastes mit einer Führung durch die Dauerausstellung zur „Weißen Rose“.
Blick in den Plenarsaal von außen (Foto: K. Diekmann)

Nach dem Informationsfilm konnte die Besuchergruppe der Grünen Zeuge werden, wie zwei Gesetzesentwürfe in erster Lesung im Parlament debattiert wurden. Zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur „Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Berufsbildungsgesetzes und des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes“ hörten wir lediglich die letzte Rednerin der SPD-Fraktion, bevor der Gesetzentwurf der Staatsregierung zur „Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze“ behandelt wurde.

Staatsministerin Ulrike Scharf stellte den Entwurf vor, hob dabei die geplanten Änderungen in der Jugendhilfe hervor. Basierend auf Änderungsanforderungen gemäß SGB VIII und einem seit 5 Jahren laufenden Modellversuch soll eine landesweite Ombudsstelle eingerichtet werden.

Geplant sind zwei Standorte in Schwandorf und München. Ein wesentliches Element soll weiterhin die Öffnung des Kreises der beratenden Mitglieder bei den kommunalen Jugendhilfeausschüssen sein.

Danach kamen Vertreter*innen der einzelnen Fraktionen zu Wort. Elena Roon (AfD) beklagte die Überlastung der Jugendämter und machte „Tausende unbegleitete minderjährige Ausländer“ dafür mitverantwortlich. Josef Heisl (CSU) verwies auf die Möglichkeit einheitlicher Qualitätsstandards durch die Tatsache, dass die Ombudsstelle landesweit eingerichtet wird. Im Namen der Grünen begrüßte Julia Post den Vorschlag, „dass sich auch Zusammenschlüsse junger Menschen beteiligen können, die nicht Teil eines anerkannten freien Trägers sind“. Besonders, wenn es darum gehe, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, sei es wichtig, die Jugendlichen selbst zu hören und nicht über sie zu reden. Julian Preidl (FW) hob die Niedrigschwelligkeit des Angebots hervor, weil sich betroffene Jugendliche auch über ihnen vertraute Kommunikationskanäle wie Chats an die Ombudsstelle wenden könnten. Doris Rauscher (SPD) sah noch offene Punkte bei einer nachhaltigen Finanzierung.

Gemälde zur Krönung Karls des Großen an der Außenwand des Plenarsaals (Foto: K. Diekmann)

Die Debatte war nüchtern und sachorientiert. Es gab keine Zwischenrufe, wie man das aus Fernsehübertragungen kennt. Das lag wohl daran, dass sich die Fraktionen im Grundsatz einig waren und dass es sich bei dem Gesetzentwurf um eine erste Lesung handelte. Änderungen können also noch eingepflegt werden. Es war jedoch wohltuend zu sehen, dass die Abgeordneten im Landtag durchaus einen sachlichen Umgang miteinander pflegen.

Gruppenbild mit Toni Schoberl (Foto: H. Borgmann)

Beim Mittagessen in der Landtagskantine gesellte sich Mia Goller kurz zu uns. Sie saß ein wenig auf heißen Kohlen, weil nicht ganz klar war, wann sie ihren Redebeitrag zum Dringlichkeitsantrag der Grünen-Fraktion „Schluss mit dem politischen Düngechaos – sauberes Wasser duldet keinen Aufschub!“ halten musste. So konnte sie uns auch in der anschließenden etwa einstündigen Diskussionsrunde nur 15 Minuten Rede und Antwort stehen. Dafür hatten wir in Toni Schoberl aber einen vollwertigen Ersatz-Gesprächspartner.

Diskussionsrunde mit Mia Goller und Toni Schoberl (Foto: K. Diekmann)

In der engagierten Diskussion kamen unterschiedlichste Themen wie die Anbindehaltung, die Nitratbelastung des Grundwassers und die Windkraft zur Sprache. Außerdem wurde der Umgang mit der AfD diskutiert, speziell mit Blick auf den anstehenden Kommunalwahlkampf. Das Erstarken des Rechtsextremismus sollte dann auch beim letzten Programmpunkt der Exkursion eine wichtige Rolle spielen, dem Besuch des Justizpalasts.

Der Justizpalast mit dem riesigem Lichtinnenhof und der imposanten Glaskuppel ist ein neobarocker Prachtbau, der Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Er beherbergt das Justizministerium und wird auch zur Durchführung von Zivilgerichtsverfahren genutzt. Während der NS-Zeit wurden hier Prozesse des Volksgerichtshofes durchgeführt, unter anderem die Prozesse gegen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.

Blick vom Lichthof des Justizpalasts hinauf zur Glaskuppel (Foto: K. Diekmann)
Eingang zur Dauerausstellung mit an die Decke projizierten Flugblättern (Foto: K. Diekmann)

Im Februar 1943 wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie ihr studentischer Mitstreiter Christoph Probst in einem dreistündigen Schauprozess zum Tode verurteilt und am selben Tag noch hingerichtet. Vorsitzender Richter war der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler. Weitere 14 Mitglieder der „Weißen Rose“ standen im April 1943 im Justizpalast vor Gericht. Drei von ihnen (darunter Alexander Schmorell und Kurt Huber) wurden ebenfalls zum Tode verurteilt, der Rest erhielt lange Freiheitsstrafen.

Bekanntmachung zum Todesurteil der Geschwister Scholl und Christoph Probst im Februar 1943 (Foto: K. Diekmann)
Im Prozesssaal des zweiten Prozesses gegen Mitglieder der Weißen Rose hängen heute die Porträts der Verurteilten (Foto: K. Diekmann)

Die Dauerausstellung in einem Gang des Justizpalastes zeichnet die Zerstörung des demokratischen Systems der Weimarer Republik nach. Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag, was die Nationalsozialisten zum Anlass nahmen, die Demokratie zu zerschlagen. Nur sechs Wochen dauerte es, bis nach Notverordnungen, Neuwahlen, Ermächtigungsgesetz und Gleichschaltungsgesetzen auch die Justiz auf den Führer eingeschworen wurde.

Besonders eindrücklich an der Ausstellung sind einzelne Elemente, beispielsweise ein Zitat des damaligen bayerischen Justizministers Hans Frank, der die Gleichheit von Rechten bestimmter Gruppen in Frage stellt, und dessen Äußerungen stark an aktuelle Narrative vom rechten Rand erinnern. Oder die Statistik zu den Urteilen des Volksgerichtshofs, die einen dramatischen Anstieg der Todesstrafen zeigen, nachdem Roland Freisler sein Präsident wurde. Oder die Integration vieler NS-Juristen in das spätere Justizsystem der Bundesrepublik, ohne dass es zu nennenswerten Bestrafungen gekommen wäre.

Menschenverachtende Äußerungen, die auch heute wieder zu hören sind (Foto: K. Diekmann)
Urteile des Volksgerichtshofs wegen Hochverrat, Feindbegünstigung, Wehrkraftzersetzung, etc. (Foto: K. Diekmann)

Ein Gänsehautmoment stellte sich auch ein, als wir den Gerichtssaal besichtigten, in dem die 14 anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ verurteilt wurden.

Der Besuch des Justizpalasts hat allen Mitfahrenden eindringlich vor Augen geführt, wie fragil die Demokratie eigentlich ist. Sie muss immer wieder verteidigt werden. Insgesamt war es ein informativer und lehrreicher Besuch in München. Solche Exkursionen helfen dabei, sich den Wert der Demokratie und ihr Funktionieren immer wieder bewusst zu machen. Abschließend geht ein dickes Dankeschön an Hedwig Borgmann, die im Auftrag von Mia Goller die Exkursion exzellent organisiert hat. Es sind bleibende Eindrücke entstanden. 

Text: K. Diekmann