Diskussion am Valentinstag: Auch Pflegebedürftige brauchen Liebe

Am gestrigen Abend hatten trotz Valentinstag und Eishockey etwa 15 Besucherinnen und Besucher den Weg in die Straubinger AWO-Begegnungsstätte gefunden, um über die Pflege und das Gesundheitssystem zu diskutieren. Eingeladen hatte Feride Niedermeier, die grüne Bundestagskandidatin, die als kompetenten Gast den gesundheitspolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Andreas Hanna-Krahl, begrüßen durfte.

Im Laufe der als offenes Gespräch gestalteten Diskussionsrunde schilderte Hanna-Krahl einen Wandel in der Pflege, der sich aus dem biografischen Hintergrund der Pflegebedürftigen ergibt. Dominierten bisher Biografien, die noch von Kriegserlebnissen geprägt waren und von der Bereitschaft, sich im Alter zurückzunehmen, sind nun immer mehr Menschen mit diverseren und bunteren Biografien von der Pflege betroffen, die höhere Ansprüche formulieren. Das ist mit einer breiteren Palette an individuellen Pflegebedarfen verknüpft.

Hanna-Krahl verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der eigentlich therapeutische Ansatz der Pflege mit betriebswirtschaftlich orientierten Randbedingungen im Zielkonflikt steht. Wenn durch Aktivierung einer oder eines Pflegebedürftigen eine Verbesserung des Allgemeinzustandes erreicht wird (geringere Pflegestufe), fließt weniger Geld. Hanna-Krahl, selbst ausgebildeter Krankenpfleger und Rettungssanitäter, betonte, dass für ihn die personenzentrierte Pflege im Vordergrund steht.

Als ein Zuhörer auf die Klinikreform zu sprechen kam, verteidigte Hanna-Krahl das Vorhaben, das noch von der Ampel auf den Weg gebracht wurde. Es könne nicht sein, dass die Qualität eines Gesundheitssystems nur daran bemessen wird, wie weit die nächste Klinik entfernt sei. Ein Türschild „Klinik“ allein reiche nicht aus. Hanna-Krahl führte aus, dass es in Deutschland die höchste Facharzt- und Krankenhausbettendichte Europas gebe, dass die Lebenserwartung hierzulande aber weit hinter der Spitze herhinke. In Finnland, einem Land mit lediglich vier Krankenhäusern, die eine Maximalversorgung anbieten, sei das Risiko, einen Herzinfarkt nicht zu überleben, nur etwa halb so groß wie in Deutschland. Eine Konzentration der Kliniken und die Herausbildung von Kompetenzzentren würde die Qualität der Versorgung in Deutschland verbessern. Sein einziger Kritikpunkt an der Reform bezog sich auf den Rettungsdienst, der nicht mitgedacht wurde. Hanna-Krahl beklagte hier einen föderalen Flickenteppich.

Feride Niedermeier bedankt sich bei Andreas Hanna-Krahl mit einer kleinen Aufmerksamkeit

Auf die von den Grünen geforderte Bürgerversicherung angesprochen, erläuterte der Experte, dass die Kundenzufriedenheit der Versicherten bei allen gesetzlichen Krankenkassen sehr hoch sei. Das liege daran, dass die Leistungen zu 99% vergleichbar seien, dass die Kassen anstandslos Leistungen übernehmen und dass die Kundinnen und Kunden nicht wüssten, welche Kosten sie verursachen würden. Da sei es verständlich, dass sich die Politik nicht wirklich an das Thema herantraue. Aber eine zentrale Bürgerversicherung, in die auch die bisher Privatversicherten solidarisch einzahlen, würde allein schon die Werbekosten der vielen gesetzlichen Krankenkassen einsparen. Hanna-Krahl bezifferte diesen Werbeetat auf 3,8% der Gesamtkosten. Auf die Frage, wie Pflegekräfte entlastet werden können, strich der Experte drei Aspekte heraus. Bürokratie müsse abgebaut werden, wobei dies nicht mit notwendiger Dokumentation verwechselt werden dürfe.

Die getrennten Kontrollen von FQA (Heimaufsicht) und medizinischem Dienst der Krankenkassen (MD) gehörten abgeschafft. Hanna-Krahl sieht die fachliche Kontrolle und Beratung beim MD und lediglich die Sanktionierung bei der Heimaufsicht. Außerdem hob er hervor, dass in der interprofessionellen Zusammenarbeit die Kompetenzen entsprechend der erworbenen Qualifikationen verteilt werden sollten. Die Pflegekräfte seien aktuell viel zu sehr auf die Verschreibungen der Ärzte angewiesen. Als Beispiel führte er Wundauflagen an. „Ich habe in meiner Ausbildung zum Pfleger 140 Stunden Unterricht zur Wundpflege genossen, bin dazu geprüft worden und habe das mehrfach rezertifizieren müssen. In einem grundständigen Medizinstudium spielt das Thema aber keine Rolle.“ Hier gebe es viel Verbesserungspotenzial bei der Aufgabenverteilung.